Timo Gertler diskutiert als Teil des Kurator:innenteams die Bedeutung von Gespräche für das Klima, wie Klimakommunikation gelingen kann und in welche Zukunft er gerne unterwegs wäre.

 

Magst Du dich vorstellen? Wie bist Du zu KLIMA_X gekommen?

Ja, gerne. Mein Name ist Timo Gertler und ich bin wissenschaftlicher Volontär im Museum für Kommunikation Frankfurt. Ich bin zu einem glücklichen Zeitpunkt ins Haus gekommen, als nämlich grad die Arbeit an der Ausstellung KLIMA_X begann bei der ich als Teil des Kurator:innen-Teams mitarbeiten konnte.

Was hast Du bei dieser Arbeit an KLIMA_X vor allem mitgenommen?

Bevor ich mich mit dem Thema im Rahmen der Ausstellung beschäftigt habe, war mir vieles auf einer sachlichen Ebene klar. Nicht so klar war mir die Rolle, die Emotionen bei der Kommunikation ums Klima spielen und je mehr ich gelesen habe, desto klarer wurde mir auch: Wir müssen uns mit anderen Menschen austauschen, um voranzukommen. Lassen Sie uns reden! Der Mensch ist ein geselliges Wesen und wir führen die Veränderungen, die wir dringend brauchen, nur herbei, wenn wir darüber sprechen.

Timo Gertler (links im Bild) als Teil des Kurator:innenteams kommt gerne über das Thema Klima ins Gespräch.

Warum hat eine Ausstellung zur Klimakommunikation Sinn?

Wir agieren nicht als Individuen, sondern gesellschaftlich als sehr komplexe Massen. Um in diesen Gesellschaften gemeinverbindliche Entscheidungen in der Politik herzustellen, braucht man ein gutes Kommunikationssystem. Und durch Medien werden Sachen verhandelt, wie eben auch der Kilmaschutz und die Klimakatastrophe. Das Mediennetzwerk ist sehr wichtig dafür, wie wir über Klima denken. Denn unser persönlicher Erfahrungshorizont ist meist nicht besonders weit und war lange nicht davon geprägt, wie uns die Krise betrifft, sondern die Klimakatastrophe haben wir an anderen Orten der Erde verortet. Wir brauchen die Medien, um diese Distanz zu überwinden.

Im Rahmen dieser medienvermittelten Kommunikationsprozesse gibt es immer Akteure mit einer bestimmten Zielsetzung und diesen Akteuren gelingt es bisweilen, den Diskurs sehr stark zu prägen. Das haben wir auch bei Klima. Hier zeigt sich, dass PR-Kampagnen von beispielsweise Ölkonzernen erfolgreicher waren als die Wissenschaftskommunikation. Das hat die Klimaschutzmaßnahmen über Jahrzehnte gelähmt.

Wir wissen zudem, dass uns Katastrophenszenarien, obwohl sie uns schon lange bewusst sind, nicht ins Handeln bringen. Untergangszenarien schaffen Aufmerksamkeit, aber keine tiefe Beschäftigung und schlimmstenfalls sind wir überfordert und verschließen die Augen davor. Deshalb kommunizieren wir stärker über Lösungen, um ins Handeln zu kommen.

Über Lösungen sprechen kann helfen, ins Handeln zu kommen.

Welche Rolle spielen Gespräche?

Im Rahmen der Ausstellungsentwicklung habe ich mit ganz viele Menschen gesprochen, die sich schon viel länger und viel intensiver mit dem Thema auseinandersetzten und die sehr erhellende Einblicke gegeben haben – sowohl fachliche als auch persönliche. Damit sich Dinge präsenter geworden und die Dringlichkeit ist bei mir im Bewusstsein eingesickert. Ein Beispiel dafür ist Eckhart von Hirschhausen, der mit einem simplen Satz viel bewegt: „Wir könnten es so schön haben.“ Der macht viel, denn er eröffnet eine positive Zukunft.

Worüber können und müssen wir denn ins Gespräch kommen?

Wir können darüber sprechen, wie wir zu Lösungen kommen. Aber heute müssen wir erst mal darüber nachdenken, wie wir überhaupt kommunizieren. Bei dem Thema Klimakatastrophe haben sich verhärtete Fronten gebildet. Da reicht ein kurzer Blick in die sozialen Netzwerke, um zu sehen, dass wir nicht mehr auf einer Sachebene kommunizieren. Wir müssen lernen, zuzuhören, um dann gemeinsam vernünftig zu kommunizieren. Und das ist gar nicht so einfach.

Ist das Ziel also, auf einer Sachebene zu argumentieren?

Schon. Um aber auf die Sachebene zu kommen, müssen wir auch über unsere Emotionen sprechen. Ich kann beispielsweise als Ergebnis dieses Katastrophismus in einer Situation sein, dass ich so eine große Angst vor der Notwendigkeit verspüre, dass wir unseren Lebensstil ändern müssen, dass ich dicht mache. Veränderung ist nicht einfach, vor allem nicht, wenn sie von externen Zwängen ausgelöst wird und nicht durch eigenen Willen. Und so kann die Krise auch wahrgenommen werden.

Menschen, die schon lange klimabewegt sind, die so viel Energie einsetzten, so viel tun, kann das Verständnis davonschwimmen, wenn ihnen jemand gegenübertritt, der das abblockt. Und hier zusammenzufinden, das ist echt schwierig. Mit den meisten Menschen kann man aber auf die eine oder andere Weise ins Gespräch kommen.

Gibt es etwas, von dem Du gemerkt hast: Oh, so handel ich ja auch, das mache ich ab jetzt anders?

Viel zu viel. Wir neigen ja dazu, uns bei unbequemen Herausforderungen Ausreden zu suchen. Ich denke, das kennen wir alle ein Stück weit. Dazu zählte für mich beispielsweise das Autofahren. Es hat mich viel Überwindung gekostet mein Auto zu verkaufen. Ich versuche mich dabei zu beobachten, wann ich mich in Ausreden flüchte und rationalisiere oder herunterspiele. Und manchmal ertappe ich mich beim Gedanken an Lösungen technischer Art, Aufforstungsprojekte oder Ähnliches – das wird alles gebraucht werden, aber ohne eine Anpassung der Lebensweise wird es nicht gehen.

Darauf zu vertrauen, dass der Klimakrise durch technische Lösungen begegnet werden kann, ist eine beliebte Ausrede, nicht ins Handeln zu kommen.

Welchem Klimatier fühlst Du dich heute am nächsten?

Heute bin ich wie so oft die Schildkröte. Ich habe mich auf den Weg gemacht und will etwas bewegen. Ich weiß aber, dass ich echt nicht im Highspeed-Tempo unterwegs bin, sondern mit langsamen Schwimmbewegungen vorwärts komme.

Auf was für eine Zukunft möchtest Du denn hin schwimmen?

Ich wünsche mir, dass ich in Frankfurt im Sommer ganz entspannt am Mainufer sitzen kann, weil die Straße für Autos gesperrt ist. Dass der Raum in der Stadt anders genutzt wird. Dass wir anders mit unseren Städten umgehen. Wir brauchen Städte die lebenswert sind, nicht versiegelt und für den Autoverkehr ausgelegt.

Das beginnt ja schon. Ich hoffe, dass die Sperrung des nördlichen Mainufers verstetigt wird. Das ist ein superguter Ansatz und man merkt, dass da viel Potential drin liegt. Andere Straßen werden umgewidmet und stärker für den Fahrradverkehr genutzt als für Autos. Andere Städte wie Amsterdam oder Kopenhagen machen das vor. Der Weg dahin hat aber einige Zeit gedauert und mit einigen Widerständen ist auch zu rechnen, aber diese Vorbilder zeigen, was möglich ist

Gibt es eine Frage, die Du schon immer mal beantworten wolltest?

Gar nicht so einfach. Manche Fragen finde ich hochgradig spannend, habe aber ein wenig Angst vor der Antwort. In der Ausstellung wagen wir einen Blick in eine positive Zukunft im Jahr 2045 und die Frage, wie ich die Welt dann sehen möchte, fände ich interessant.

Ich habe Angst, dass es nicht so kommt und bin oft frustriert von der alltäglichen Berichterstattung. Gerade weil ich nicht die positivste Grundhaltung dazu hatte, berührt mich aber die Frage zum Abschluss der Ausstellung sehr: “Was wäre, wenn wir nicht scheitern?”. Den Gedanken zuzulassen, dass es gut ausgehen kann, finde ich sehr ermutigend.

Vielen Dank für deine Zeit und das Gespräch!

Das Interview führte: Swenja Hoschek ist wissenschaftliche Volontärin am Museum für Kommunikation Frankfurt. Sie isst gerne vegan, aber Crêpes durchkreuzen diesen Plan zuweilen.