Die Kuratorin der Ausstellung KLIMA_X Katja Weber gibt im Interview Einblicke über Klimaleiden, neue Normalität, Urlaube und warum es Spaß macht, aufzuhören.

Erzähl gerne zum Start ein bisschen was über Dich. Wie bist Du dazu gekommen, eine Ausstellung zum Thema Klima zu machen?

Ja, gerne. Mein Name ist Katja Weber, ich bin freie Kuratorin und habe in den letzten Jahren mehrere Ausstellungen für das Museum für Kommunikation kuratiert. Der Direktor des Museums, Dr. Helmut Gold schlug vor, eine Ausstellung über Klimakommunikation zu machen. Die Idee fand ich gut.

Seitdem ich denken kann, wollte ich mich für Umweltthemen engagieren und wusste nie so ganz: Wie komme ich da ran? Meine Biografie hatte sich anders entwickelt und ich war in eine Verhaltensstarre geraten. Schon als Kind hatte ich das Gefühl, dass hier etwas total falsch läuft. Ich erinnere mich, wie ich hinten im Auto saß, aus dem Fenster träumte und mich gewundert habe: Wie können auf diesen Seitenstreifen überhaupt noch Pflanzen wachsen? Die Zerstörung der Umwelt hat mir immer weh getan, aber ich wusste nicht, was ich mit meinen Möglichkeiten tun kann. So war ich als Kuratorin sehr dankbar für die Idee einer Ausstellung über Klimakommunikation und habe mich zwei intensive Wochen diesem Thema hingegeben und mit Expert:innen gesprochen, um ein Konzept zu schreiben. Das Konzept hat sich im letzten Jahr durch gemeinsame Arbeit noch stark weiterentwickelt.  

Das Team um KLIMA_X kommuniziert selbst viel über Klima: Katja Weber beim Klimakommunikations-Workshop „Fünf vor Zwölf? I want you to Panic“ mit dem Kuratorenteam Sebastian Mall (reflekt) und Timo Gertler beim K3 Kongress in Zürich im September 2022. Foto: Nina Müller

Das Thema Klima hat viele Facetten: Wieso ist Klimakommunikation so wichtig?

Kommunikation erzeugt Wirklichkeit. Wir stellen sie durch Austausch und soziale Interaktion immer wieder neu miteinander her. Der Soziologe Niklas Luhmann hat sinngemäß gesagt: Es mögen Fische in Flüssen sterben, es mögen die Seen vergiftet und die Umwelt verpestet sein – solange darüber nicht kommuniziert wird, nimmt es niemand wahr. Und das stimmt. Wenn die Medien nicht über das jüngste Fischsterben in der Oder kommuniziert hätten, wüsste die Mehrzahl der Leute davon nichts. Die Menschen vor Ort können gar nicht anders, als darüber sprechen. Die vielen toten Fische und der Geruch kann kaum totgeschwiegen werden.

Es geht also vor allem darum, über das Thema zu sprechen?

Es geht auch darum, wie kommuniziert wird. In der Ausstellung haben wir eine Leitfrage: Warum tun wir eigentlich nicht, was wir wissen? Eine Antwort darauf ist die Art, wie wir über die Klimakrise kommunizieren. Diese Art kann dazu beitragen, dass wir bei anderen Widerstände erzeugen. Oder wir manipulieren, liegen alten Mythen auf oder streuen Falschinformationen – gleich ob bewusst oder unbewusst.

Die wohlgemeinte Kommunikation, auf die Katastrophe aufmerksam zu machen oder mit rationalen Fakten zu argumentieren, hat nicht ausgereicht. Wir haben daraufhin nicht alle begonnen, unsere Art zu wirtschaften zu ändern oder ernsthafte politische Regeln zu implementieren. Wir haben nicht ausreichend unseren Konsum, unseren Verbrauch und unsere Gewohnheiten verändert. Das hat auch psychologische Gründe, aber es hat auch viel damit zu tun, wie wir über das Thema reden.

Bei Klima gibt es auch eine Schuldkommunikation nach dem Motto: Die anderen machen das auch und wenn die anderen sich nicht verändern, dann müssen wir das auch nicht. Das ist eine kommunikative Absicherung, dass die Welt so bleiben kann, wie wir sie kennen.

Vielleicht ist die größte Krux, warum wir nicht tun, was wir wissen, dass wir als Menschen dazu neigen, uns zu vergleichen. Und wenn wir das Gefühl haben, die anderen machen nicht so viel wie wir – seien es „die Chinesen“, unser Nachbar oder unsere beste Freundin – dann denken wir: Wieso soll ich jetzt was machen, wenn die anderen nichts machen? Oder wir haben das Gefühl, wir machen schon mehr als andere. Und so verstärken wir uns gegenseitig im Nichtstun.

Welchem Klimatier fühlst Du dich heute am nächsten?

Heute war ich die fleißige Biene, weil ich heute sehr früh aufgestanden bin, um das Interview mit Eckart von Hirschhausen zu führen, der sich für Gesundheit und Klima einsetzt. Wir haben im Nachgang mit ihm auch überlegt, wie wir gemeinsam mit dem Museum für Kommunikation und mit der Ausstellung mit anderen Menschen zusammen und ins Gespräch kommen. Und nun bin ich den ersten Tag seit meinem Urlaub im Büro und arbeite weiter für die Ausstellung.

Zeichnung von einer Café-Szene. Bildschirme mit Portraits sitzen auf den Stühlen.

Einblick in einen frühen Entwurf für den Ausstellungsraum Klima-Pioniere, wo die Interviews zum Beispiel mit Eckart von Hirschhausen zu hören und sehen sein werden. Rendering von Studio It´s about

Warum macht es einen Unterschied, ob ich frage, welchem Tier sich jemand heute oder generell am nächsten fühlt?

Nach dem Kommunikationspsychologen Schulz von Thun haben wir nicht nur eine Stimme, eine Meinung, eine Position, sondern wir vereinen mehrere Anteile in uns. Je nach Tagesform, Tätigkeit oder Emotionszustand ist die eine Stimme stärker als die andere. Ich bin beispielsweise seit eineinhalb Jahren mehr oder weniger eine fleißige Biene, war jetzt aber zwei Wochen im Urlaub und ich brauchte wirklich eine Pause von dem Thema. Also bin ich von Berlin, wo ich wohne, nach Brandenburg an einen See verreist und hatte eine gute Zeit. Obwohl ich mich der Trockenheit und dem sinkenden Wasserpegel bei uns in Brandenburg nicht entziehen konnte, habe ich schon versucht, wie der Vogelstrauß ein bisschen den Kopf in den Brandenburger Sand zu stecken und meinen Urlaub zu genießen.

Sonnenuntergang auf See, daneben steckt ein Vogelstrauß den Kopf in den Sand

Im Urlaub kann man auch mal den Kopf in den Sand stecken. Morgenstimmung im September am Wolziger See in Brandenburg, Landkreis Dahme-Spreewald. Foto: Katja Weber, Klima-Tier Strauß: Susanne Salmen & Andrea Kowalski, Studio it’s about

Warum der Titel „Klima_X“?

Auf den Titel kam das Gestaltungsteam von It’s about. Und ich fand ihn sofort super. Ich selbst kam nicht über Titelideen wie „Let’s talk about Klima“, „change“ oder „Klimakrisenkommunikation“ hinaus (lacht).

Im Titel steckt für mich drin, dass die Zukunft X noch ungewiss ist. Der Gap dazwischen ist für mich das Jetzt. Das ist unser Handlungsspielraum, um die ungewisse Zukunft X so zu gestalten, wie sie für uns und kommende Generationen noch lebenswert ist. Und die Frage, wie dieses X gestaltet wird, hat viel damit zu tun, ob wir es jetzt endlich schaffen, aufzubrechen. In Deutschland wird zu großen Teilen nicht mehr geleugnet, dass wir ein ernsthaftes Klimaproblem haben und immer mehr Menschen wollen ihren Beitrag zur Reduktion der Treibhausgase leisten.

Auch die Frage „Warum tun wir nicht, was wir wissen“ hat mit dem Zwischenraum zwischen KLIMA und dem X zu tun. Denn es gibt einen Gap zwischen Wissen und Handeln. Und die Ausstellung versucht diese Leerstelle zu erklären.

Hast Du einen Tipp, diesen Gap zu überwinden und vom Wissen zum Handeln zu kommen?

Mir half es zu merken, dass es Spaß macht, etwas für das Klima zu tun. Es tut gut, selbstwirksam zu sein und nicht nur anderen das Feld von Klima- und Umweltschutz zu überlassen, sondern mitzumachen. Wer sich dafür entschieden hat, Klima, Umwelt und somit sich selbst schützen zu wollen, die beginnt es zu stören, ins Flugzeug zu steigen, das neueste Technikgerät haben zu wollen, große Daten zu streamen, verpackte Sachen zu kaufen oder das Fenster offenlassen, obwohl die Heizung läuft. Oder er oder sie erkennt, wenn politische oder wirtschaftliche Entscheidungen nicht weitreichend genug getroffen werden und will sich dafür einsetzen.  Dadurch verhalten wir uns passend zu unserem Wissen und Einstellungen und das macht Spaß. Es gibt genug Orte, an denen wir mitgestalten können. Wir müssen nur diesen suchenden Schritt gehen, um diese Orte zu finden.

Ich bin ein sozialer Mensch und brauche Verbündete. Allein gegen Windmühlen kostet so viel Kraft. Deshalb unterstützen mein Lebenspartner und ich uns gegenseitig darin, unser Leben klimafreundlicher zu gestalten. Uns macht das Spaß. Wenn der oder die eine mal einknickt, erinnern wir uns gegenseitig an unser Vorhaben. Mit meinen Eltern und Freund:innen und Kolleg:innen führe ich auch zunehmend Gespräche darüber. Das war in dieser Offenheit vor wenigen Jahren noch nicht möglich. Und diese Gespräche mit meinem nächsten Umfeld helfen mir enorm, aktiv zu bleiben.

Gibt es etwas, von dem Du wünschst, dass es normal wird?

Ich wünsche mir, dass es normal wird, dass wir nicht mehr mit dieser Selbstverständlichkeit fliegen. Ich wünsche mir, dass Gesundheit, Menschenrechte und Klimagerechtigkeit immer im wirtschaftlichen Handeln eingepreist sind. Ich wünsche mir, dass bei denjenigen, die an den großen Hebeln sitzen, im tiefsten Herzen ankommt, dass weniger mehr ist. Und dass CEOs ihre Wirtschaftsmodelle zugunsten einer Kreislaufwirtschaft ändern. Ich wünsche mir, dass Politik und Stiftungen vor allem regenerative Ideen fördern. Und dass die Abholzung des Regenwalds und der Wälder insgesamt endlich aufhört.

Ich wünsche mir, dass wir Spaß daran entwickeln, unsere Regionen wieder lebenswert und klimaangepasst zu gestalten, indem wir vor Ort anpacken. Vielleicht verspüren wir dann weniger Fernweh und genießen den Ort, an dem wir zu Hause sind wieder mehr. Vor allem: Ich wünsche mir, dass mehr Natur und naturverbundeneres Leben wieder zur Normalität wird.

Hast Du das Gefühl, dass sich in den letzten Jahren etwas in diese Richtung verändert hat? Sind wir vielleicht auf dem Weg in eine neue Normalität?

Ja, ich habe den Eindruck, dass Nachhaltigkeit gesellschaftsfähiger geworden ist. Das ist super. Zumindest ist das mein subjektiver Eindruck. Ich habe das Gefühl, mit meinem Lebensstil und einem eher minimalistischen Lebensprinzip heute nicht mehr vermittelt zu bekommen, dass ich irgendwas nicht geschafft hätte. Jetzt habe ich das Gefühl: Es reicht aus, was ich besitze und es ist gut so zu leben. Das hat sicher auch mit persönlicher Entwicklung zu tun.

Harald Welzer hat in seinem letzten Buch gefragt, warum wir nicht einfach aufhören können. Eine gute Frage, die auch die Frage des Verzichts anders stellt. Hören wir doch einfach auf, mehr haben zu wollen und geben uns zufrieden. Wir haben doch genug!

Das Thema Klima und Klimakommunikation werde ich weiterverfolgen. In Ausstellungen und vor allem in Teamworkshops mit reflekt zusammen.

Interview geführt von: Swenja Hoschek ist wissenschaftliche Volontärin am Museum für Kommunikation Frankfurt. Sie isst gerne vegan, aber Crêpes durchkreuzen diesen Plan zuweilen.